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Berliner Gerichtszeitung, 22. September 1881
Unter dem Namen „Dreamers“ bildet sich eben unter der Bevölkerung West-Minnesotas ein neuer religiöser Absceß. Dlese „Träumer“ verwerfen alle bisher anerkannten Offenbarungen und wollen sich lediglich an die Träume hallen, die ihnen der Himmel schickt. Also eine Religion, die den Leuten buchstäblich im Schlafen kommt Aber dieselbe setzt nicht nur Träume voraus, sondern auch eine kunstgerechte Auslegung derselben, da diese es erst möglich macht. den in der Gestalt von Träumen erlassenen, himmlischen Ordonnanzen ihre richtige Bedeutung abzugewinnen. Zuerst war es der Gründer der neuen Sekte. gewissermaßen der Ober·Träumer derselben, welcher diesem Bedürfnis mit der ganzen Kunst eines modernen Joseph abgeholfen hat. Neuerdings aber haben sich auch andere Deuter-Talente bernerklich gemacht, und da dieselben in ihren Auslegungen sehr bald mit denen des Ober-Träumers und Deuters zu differieren begannen. so verliefen selbst die Jugendtage dieser träurnerischen Sekte umsoweniger ohne innere Fehde, als der besagte Häuptling nicht nur das Recht der unfehlbaren Auslegung, sondern auch das, die besten und rnassenhaftesten Träume zu haben, für sich in Anspruch nahm. Den neuesten Nachrichten zufolge soll er sich nun zwar in Beziehung auf daw Traum-Monopol nachgiebig erwiesen haben. hingegen, was das Deutungs-Privilieg anlangt, nach wie vor auf seinem Gründer-Recht bestehen.
- Dieser Artikel ist Teil der Berichterstattung über den Wahlkampf 1881
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