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von Alexander Moszkowski, 1912
Ein guter Ratgeber in allen Lebenslagen.
Bei unerträglicher Hitze wünscht gar mancher einen erfrischenden Luftzug. Aber kein Lüftchen will sich rühren. In dieser Situation setze man sich auf den Straßenperron eines Cafés und beginne einen Brief zu schreiben. Sofort erhebt sich ein kräftiger Wind, der das Schreibpapier vom Tische bläst. Man kann den Brief zwar nicht schreiben, aber der Luftzug tut wohl.
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Es kann aber auch vorkommen, daß einem die Tage zu kühl werden und daß man eine Erhöhung der Temperatur wünscht. Alsdann ziehe man den dicksten Winterüberzieher an und unternehme, in diesen eingehüllt, einen Spaziergang. Sogleich wird die Sonne mit 30 Grad im Schatten operieren, man verflucht die Idee, den dicken Überzieher mitgenommen zu haben, aber die gewünschte Lufterwärmung ist eingetreten.
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Du stehst auf dem Hinterperron eines Straßenbahnwagens, dessen Inneres vollständig besetzt ist. Du hast den Wunsch, daß inwendig ein Platz frei werde, aber niemand macht Miene, auszusteigen. So zünde dir eine recht teure Zigarre an, und schon an der nächsten Straßenecke wird sich der Wagen vollständig leeren. Mit der brennenden Zigarre darfst du nicht hinein, sie fortzuwerfen kommt dir zu dumm vor, du bleibst also draußen stehen, aber dein Wunsch ist in Erfüllung gegangen.
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Nehmen wir einmal an, du habest ein Leibgericht, sagen wir: jungen Gänsebraten. Natürlich bestellst du dir jungen Gänsebraten. „Nicht vorhanden“ erwidert der Kellner, oder aber „ausgegangen“, „frisch gestrichen“, und so geht es dir in zehn Restaurants hintereinander. Was tust du in solchem Falle? Du gehst in eine Bäckerei, kaufst dir acht Salzstangen und ißt sie im Stehen auf. Dazu gehört viel guter Wille, aber die Anstrengung belohnt sich. Denn nunmehr brauchst du nur, bis zum Platzen voll, das elfte Restaurant aufzusuchen und den Kellner fragend anzublicken; du ahnst schon, was er sagen wird: „Vorzüglichen jungen Gänsebraten kann ich besonders empfehlen!“
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In sternklaren Sommernächten reckt man sich oft den Hals entzwei, weil man gern eine Sternschnuppe sehen möchte. Aber gerade wenn man möchte, sieht man nie eine. Dies hängt damit zusammen, daß nach einer weitverbreiteten Volksmeinung jeder Wunsch in Erfüllung geht, bei dessen Auftauchen man einer Schnuppe ansichtig wird. Hierauf gründe den Plan, wenn du das Verlangen hegst, solch ein Meteor zu sehen.
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Siehe auch:
- Alexander Moszkowski lebt
- Kanonenfutter!
- Das Völkerrecht
- Anruf an den Weisesten der Weisen
- Ewiger Irrtum
- Der Verbieter
- Der Lyriker und die Umsatzsteuer: 1 ½ Prozent
- Weltgeschichte
- Generalstreik
- Winke für Touristen
- Der Hut der vierten Dimension
- Telephon-Reform
- Die Prinzessin im Theater
- Der dümmste Kerl der Welt
- Die Steuer-Ausstellung (ein Bericht aus dem Jahre 1890)
- Reichsmusikalische Zukunftsbilder
- An die leuchtende Geliebte
- Grundzüge einen reactionären Chemie
- 1001 Nacht im Verfassungsstaat
- Der künstliche Scheintodt
- Eine Theaterprobe
- Unsere Afrikaner
- Der Kaiser zahlt Steuern
- Die Weisen von Abdera
- Der König der Detektivs
- Notizen eines Lebemannes
- Pour le mérite
- “. . . Wir hätten, sollen . . .”
- Er möchte Herrn Meyer sprechen!
- Viehsisana
- Die böse Presse
- Das perverse Weib oder: Der Schlammgeist